Gisela Gießen. Die Schildkröten-Woche.
18. April 2023Gisela ist die Schildkröte meiner Nachbarn, von deren Existenz ich bisher nichts ahnte.
Also von den Nachbarn wusste ich schon. Nur nicht von ihrer Schildkröte.
Als die Mutter von Anton mich fragt, ob ich während ihres Urlaubs die Pflanzen gießen und mich um Gisela kümmern kann, antworte ich versehentlich mit JA, obwohl ich eigentlich sagen will:
„Sei mir nicht böse, ich bin eine richtig miese Pflanzenpflegerin und eine noch miesere Schildkröten-Nanny, viel lieber beschenke ich euren Sohn, aber Grünpflanzen in Kombi mit Gisela, nein, da müsst ihr jemand anderen finden.“
HABE ICH ABER NICHT GESAGT.
Hab‘ mir die Schildkröten-Suppe quasi selbst eingebrockt.
Freitag.
Kurz vor der Abreise führt mich meine Nachbarin in die Gisela Gießen-Routine ein:
Hier Tränke reinigen, da Gurke schneiden, dort Heu auffüllen, dies das, ist nun nicht gerade ein Triathlon, kriege ich gut hin.
Was ich hingegen nicht gut hinkriege, ist, meinen wenig begeisterten Gesichtsausdruck zu verbergen.
„Hast du Angst?“
Ich verneine energisch. Wäre ja noch schöner, wenn ich vor einer Schildkröte Angst hätte.
„Ekelst du dich?“
Auf keinen Fall.
Ein wenig ekele ich mich, ein wenig Angst habe ich.
Es ist meine erste Schildkröte, lasst mich.
Beschließe direkt, dass ich mich nicht mehr ekele und keine Angst mehr habe.
Wäre sonst ein echter Stressfaktor während der Woche.
Samstag.
Habe einen kurzen Herzstillstand, als sich Gisela nicht bewegt, obwohl ich Futter reinlege.
WAS ZUR HÖLLE MACHE ICH JETZT, WENN DIE BESCHLIEßT, DAS ZEITLICHE ZU SEGNEN, WÄHREND MEINE NACHBARN WEG SIND?!
Nach einer Ewigkeit einer Minute streckt das Tier seinen faltigen Hals samt Köpfchen raus und sprintet zum Salat.
Ganz ehrlich, Gisela, MACH DAS NICHT NOCH MAL MIT MIR.
Vielleicht geschieht das mit purer Absicht, nachdem sie meine anfänglich mangelnde Begeisterung spürt, satisfying Moment for her.
Kenne mich mit Reptilien-Humor nicht aus.
Kann bisher berichten, dass Gisela sehr phlegmatisch ist und das exakte Gegenteil meiner Energie.
Wenn ich in diesem Tempo alles machen würde, wo wäre ich dann?
Noch im Loft vermutlich.
Ich nehme an, dass Gisela aufgrund ihres „Ich bin vielleicht tot.“-Moves währenddessen in sich hineinkichert, augenverdrehend „Loft-Schmoft“ murmelt und ihren Rucola betont langsam frisst.
So aus Prinzip.
Montag.
Ich habe es geahnt: Das Internet rastet aus, alle lieben Gisela.
Seit der Bekanntgabe meines Wochen To Do’s werde ich mit „Frische Erdbeeren sind Delikatesse“-Tipps und dem einzig auf Instagram kursierenden „Wie mache ich meine Schildkröte glücklich“-Video überhäuft.
Nein, GANZ SICHER werde ich keine frischen Erdbeeren für Gisela kaufen, noch ihren Panzer mit einer Zahnbürste massieren.
Die kann froh sein, wenn sie bis Sonntag nicht verhungert.
Ich gieße die zweiunddreißig sich im Zimmer befindenden Pflanzen, JA, jede ist unterschiedlich, NEIN, keine Ahnung, was ich da tue.
Schildkröte und Grünpflanzen.
Ich klammere mich an die Hoffnung, dass alle dreiunddreißig Beteiligten bis Sonntag durchhalten.
Mittwoch.
Kaufe frische Erdbeeren für Gisela.
Zugegeben sieht das Tier bisschen sehr niedlich aus, wie es mit seinem rot-verschmierten Mäulchen die Früchte in großen Happen verschlingt.
Dafür, dass Gisela meine Reichweite für ihren plötzlichen Ruhm genutzt hat, liefert sie reichlich wenig Content.
Dass sie für diesen spärlichen Input – zum Essen wandern, an der Gurke knabbern, sich kaum bewegen – so exzessiv von meinen Followern gefeiert wird, macht mich doppelt stutzig.
Da schreibt man selbst seit Jahrzehnten stundenlang Texte und macht Tausende Fotos, während Low Performer-Gisela einfach langsam kaut.
WOW.
Sympathiefaktor faltiger Hals, wer hätte es gedacht.
(Immerhin, daran lässt sich arbeiten).
Freitag.
Während sich meine Flora und Fauna-Woche dem Ende neigt, mache ich die folgende Beobachtung:
Gisela knabbert fröhlich vor sich hin, hört aber schlagartig auf, wenn sie meine Handykamera aus dem Augenwinkel wahrnimmt.
Ich will nicht belehrend klingen, aber ein nachhaltiges Following lässt sich mit ASMR-Content allein garantiert nicht aufbauen.
Man kann nicht immer nur nehmen, Gisela, man muss auch mal geben!
Niedliche Kletter-Tricks wären ein Anfang, Schildkröten-Romanze für Fortgeschrittene, meine Güte, ich könnte innerhalb wenigen Stunden eine ganze Storyline für Gisela erstellen.
Stelle mir ein Szenario vor, in welchem Gisela meine Vorschläge ernst nimmt, ihr Terrarium verlässt und ich sie anschließend in der Wohnung der Nachbarn suchen muss, Panik-Level hoch Tausend.
Wahrlich ein zu hoher Preis für Ruhm und Publicity.
Sonntag.
Ich überreiche den Schlüsselbund den Nachbarn, die Schildkröte hat weder zu- noch abgenommen, Grünpflanzen grünen vor sich hin.
Gisela Gießen war nicht so schwer.
Hab‘ nun keine Angst mehr, mich um Schildkröten zu kümmern.
Und werde das nie wieder tun.
Vorwiegend aus dem Grund, nicht zum 23082632 Mal dasselbe Schildkröten-Video anschauen zu müssen :).
Liebesgrüße
Joanna
Liebesbotschaft wurde bereits 2008 von mir gegründet. Seitdem teile ich Inspirationen mit euch, die meisten davon direkt aus meinem privaten Alltag. Im Jahr 2017 fingen meine älteste Tochter Jil und ich an, auch andere Unternehmen im Bereich Social…
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