In dem Haus, in das ich vor einem Jahr einzog, wohnen außer mir noch drei andere Familien.
Diese Familien haben vier kleine Jungs – so insgesamt zusammengerechnet.
Die Jungs rennen wochentags im Treppenhaus und trippeln mit ihren kleinen Füßchen am frühen Sonntagmorgen über meinem Kopf.
Im Hochsommer spielen sie mit einem Wasserschlauch im Innenhof, ab und zu wirft sich ein klitschnasser Dreijähriger ohne Kleidung und ohne Vorwarnung in meine Arme.
Manchmal räume ich Laufräder, Bälle oder ein kleines Trampolin zur Seite, bevor ich das Auto auf meinen Parkplatz stellen kann.
Ich steige regelmäßig über allerlei Gegenstände, die im Eingang herumliegen, bis ich an meiner Wohnungstüre stehe.
Und führe ernste Gespräche über die Tiefe der riesigen Pfütze im Hof („So groß wie ein See.“), über meinen Beziehungsstatus („Hast du einen Mann?“) und darüber, wie cool man aussieht, wenn man einen Ganzkörper-Spiderman Anzug trägt.
Sehr cool sieht man dann aus.
Ihr ahnt es vermutlich:
Ich lebe in Bullerbü.
Als ich diesen Montag aus dem Auto steige, fällt mir ein, dass ich einen kleinen, grünen (Halb-) Edelstein besitze, der sich im Skincare-Paket von La Mer befand.
Diesen drücke ich spontan dem Dreijährigen in die Hand („Es ist ein ECHTER Edelstein.“), der mich daraufhin mit riesigen Augen anschaut.
An einem Montagnachmittag hat er definitiv nicht mit grünen Edelsteinen gerechnet.
Das bleibt der restlichen Bullerbü-Gang nicht verborgen und so klingeln die Jungs kurze Zeit später an meiner Türe.
Ob sie auch Edelsteine bekommen können?
Zu meinem Bedauern muss ich verneinen; So viele Steine wie Jungs im Haus hat La Mer gar nicht geschickt.
Stattdessen kann ich hübsche Vintage Bücher mit Länderfahnen und Zeichnungen aus Afrika anbieten.
Mit dieser Alternative sind alle hoch zufrieden.
Während ich die Bücher suche, schauen sich die Jungs in meinem Apartment um, bis einer von ihnen mit der tiefsten Überzeugung eines knapp Siebenjährigen rausplatzt:
„Oh. Du bist also reich.“
Ich bin also reich.
Ich bin endlich reich, Freunde.
Merke:
Reich ist man nicht, wenn man Altersvorsorge, eine Rolex oder ein Ferienhaus auf Sylt hat.
Reich ist man, wenn ein Siebenjähriger findet, dass man reich ist.
Zwei Tage später klingelt es erneut, die Bullerbü-Gang steht aufgereiht vor meiner Türe und fragt, „Ob wir zusammen was machen wollen?“.
Ich müsse leider arbeiten, was sie denn überhaupt machen wollten?
Allgemeines Achselzucken.
„Wissen wir nicht. Was spielen. Oder deine Wohnung anschauen.“
Klar, wer schaut nicht gerne die Häuser von reichen Leuten an (= mir).
Falls ihr nun Sorge habt, dass ihr ohne Edelsteine und Vintage-Bücher in Bullerbü kaum Eindruck schinden könnt:
Einer der Dreijährigen spielt letzten Sonntag so lange fasziniert und selbstvergessen mit einem großen Eiswürfel in einem meiner Cocktailgläser, dass er am Ende fragt, ob er diesen mit nach Hause nehmen kann.
Vorsichtig balancierend und stolz triumphierend trägt er den bereits zur Hälfte geschmolzenen Eiswürfel ein Stockwerk nach oben.
Niemals würde ich mich über ein Tretauto auf meinem Parkplatz beschweren.
Liebesgrüße
Joanna
Verena
2. Oktober 2024 at 20:28Oh wie schön du das geschrieben hast und wie wertvoll doch solche Begegnungen im Leben sind und wirde nicht immer gesagt,daß Kinder die Wahrheit sagen.Liebe Grüsse Verena
Joanna
3. Oktober 2024 at 18:36Ha ha, sehr ungefiltert auf jeden Fall ;).
Melis
2. Oktober 2024 at 20:47Schönster Text ever :))
Joanna
3. Oktober 2024 at 18:37Danke !
Ilona
4. Oktober 2024 at 23:11Absolut
Daniela
2. Oktober 2024 at 21:17Das ist eine wunderschöne Geschichte von Bullerbü so liebevoll geschrieben und macht glücklich
Joanna
3. Oktober 2024 at 18:37Ja, das war die Absicht ;).
Elli
3. Oktober 2024 at 6:43Oh mein Gott, ist das süß ❤️ Wie heißt es so schön? Kinder sagen immer die Wahrheit 😉
Joanna
3. Oktober 2024 at 18:37So süß einfach ❤️
Andrea
3. Oktober 2024 at 7:57Ganz zauberhaft!
Zu meinem Geburtstag kommen 6 Kinder.
Wir machen Feuer, grillen Würstchen am Spiess (solche und solche) und der umgestürzte Baum kriegt endlich Drachenaugen. Ich freu mich schon!
Joanna
3. Oktober 2024 at 18:38WOW! Einen umgestürzten Baum wird hier schwierig…
Tina
3. Oktober 2024 at 10:56Weißt Du, woran mich Deine Story spontan erinnerte?
An Anton, Deinen früheren kleinen Nachbarn.
In jedem Fall hast Du jetzt vier neue, treue Fans gewonnen und ich bin schon gespannt auf die Fortsetzungen.
Joanna, Du bist eben eine Bereicherung für jeden und für Deine Nachbarschaft.
Joanna
3. Oktober 2024 at 18:38Danke für die lieben Worte ❤️!
Petra von FrauGenial
3. Oktober 2024 at 12:56Nicht, dass Anton von der Geschichte hört und neidisch wird. Das liebe ich an Kinder, die sehen alles ungefiltert und lassen sich für kleine Sachen so stark begeistern!
Joanna
3. Oktober 2024 at 18:38Ja, das ist echt der größte Genuss :).
Jacqueline
4. Oktober 2024 at 8:44Ich bin so berührt von diesem Text und deiner Sichtweise. Wie häufig fühlen sich Erwachsene genervt von Kindern und deren Spielzeug, das einem gefühlt ständig vor den Füßen liegt. Eine ganz bezaubernde Geschichte, die zeigt, wie man die Herzen der Kinder im Sturm erobern kann und mit ihnen zusammen Spaß hat.
Joanna
4. Oktober 2024 at 12:50❤️❤️❤️!
Manuela
5. Oktober 2024 at 12:00Habe den Text gelesen und gelacht.
Dann meinem Mann vorgelesen und nochmal gelacht.
Über die Weisheit und Leichtigkeit des Seins, den er ausdrückt.
Joanna
5. Oktober 2024 at 17:31Wie schön du das ausgedrückt hast!