Kolumne, Lifestyle

Sunday Diary: Sonntags-Boost statt Sonntags-Blues.

 

 

So, wie einige den Sonntags-Blues erleben – also eine bestimmte Stimmungslage, die sich ausschließlich an diesem Tag meldet – habe ich an Sonntagen in schöner Regelmäßigkeit den äh… Sonntags-Boost.
Das ist ein explosionsartiger Motivationsschub, der mich am Sonntag Abend dazu verleitet, die gesamte Wohnung noch mal aufzuräumen, die Wäsche zu machen, anschließend meinen Kühlschrank durchzuforsten und mit allen sich darin befindlichen Lebensmittel-Resten spontan einige Meal Prep-Gerichte zu kreieren, die ich während der folgenden Tage essen werde.
Nach 2-3 Stunden habe ich eine Suppe gekocht, ein weiteres Gericht, dass sich gut aufwärmen lässt (wie Eintopf oder Curry), etwas Süßes oder kuchenartiges als Begleitung zum Vormittags-Espresso gebacken, ein großes Schraubglas mit Salatdressing und einen Becher Dip zusammengerührt, irgendetwas zubereitet, das sich gut als Frühstück eignet und bin nun überzeugt, dass ich in den nächsten 3 Tagen mein Leben vollkommen im Griff haben werde.
Die Menge der vorbereiteten Speisen reicht nicht für mehr, weil kein Mensch eine Woche lang dasselbe essen will (und wenn er muss, dann anschließend jahrelang nicht mehr).
Außerdem kommen immer überraschend Freunde oder Familie vorbei, da ist der ganze Plan im Eimer.

Während andere vor dem Tatort kuscheln, stehe ich Sonntag Abends barfüßig in der Küche, höre Jazz und lasse mich ein bisschen überraschen, was am Ende rauskommt.
Überraschend ist es deshalb, weil ich meistens nur eine grobe Ahnung vom Inhalt meines Kühlschranks habe – erstens kochen meine Töchter hier regelmäßig und zweitens sollte ich mir eher die PIN meiner Visa Karte merken und nicht, ob wir noch Bohnen haben.
Leider vergesse ich die PIN meiner Visa Karte andauernd.

 

 

 

An diesem Sonntag wache ich mit Kopfschmerzen auf und beschließe, mir einen so schönen Tag zu machen, wie nur möglich.
Das mache ich ansonsten zwar auch, aber wenn es einem schon körperlich nicht so gut geht, muss man darauf ganz besonders achten.
Ich schlucke Magnesium- und Kopfweh-Tabletten und stelle die Kanne Darjeeling First Flush Flugtee neben mein Bett.
Der Tee duftet in der Tasse und schmeckt nach Frühling, ich trinke ihn in kleinen Schlucken und schaue eine unglaublich spannende Dokumentation von Lauren Greenfield, während die aufgehende Sonne die runden Leuchten im Schlafzimmer-Erker in ein rosa Licht taucht.
Als die Tabletten endlich ein wenig Wirkung zeigen, springe ich aus dem Bett und unter die Dusche, ziehe ein weißes T-Shirt, eine Leder-Coulotte und einen Kaschmircardigan an, nehme mir  Zeit für die Skin Care-Routine, öffne alle Fenster, mache mein Bett und kann schon wieder nicht glauben, wie schön mein neues Apartment ist.
Ich könnte den halben Tag lang hin- und herlaufen und dem knarzenden Geräusch des antiken Fischgrätsparketts zuhören.

Mein Frühstück besteht aus einem Granatapfel, Blaubeeren und einem großen Glas frischen Orangensaft, der Kopf drückt noch ein bisschen und ich habe keinen großen Hunger.
Noelle hat sich selbst zum Lunch eingeladen und steht am späten Vormittag mit einem Freund vor der Türe.
Sie trägt ein umwerfend schönes kleines Schwarzes aus Samt mit Spaghettiträgern, das sie in einem Second Hand Shop gekauft hat, einen schwarzen Rolli darunter, schwarze transparente Strumpfhose und silberne Riemchenpumps mit breiten Absätzen.
Ich begrüße sie mir der Frage, wie es überhaupt möglich sei, dass Menschen nicht in Ohnmacht fallen, wenn sie die Strassen der Stadt entlang läuft?
Der Freund bereitet Kaffee zu, wir trinken ihn und knabbern an den restlichen Haferflocken-Cookies, die ich vorige Woche gebacken hatte.
Meine Tochter zeigt alle Vintage Dolce und Gabbana-Kleider, die sie online entdeckt hat, der Freund erzählt, dass Auguste Rodin zum Zwecke der Studien seiner Werke völlig nackte Menschen den ganzen Tag lang in seinem Atelier herumlaufen liess.
Er verabschiedet sich, wir schieben Lachs mit sehr viel Knoblauch, Kräutern und Strauchtomaten in den Ofen und rösten dicke Brotscheiben dazu.
Es schmeckt köstlich.

 

 

 

Nach dem Lunch kuscheln uns gemeinsam in mein Bett, weil mein Kopf noch etwas weh tut und schauen zusammen die Dokumentation.
Zumindest 10 Minuten lang, bevor wir fast gleichzeitig einschlafen.
Ein Sonntagsnap steht auf der Liste der Tätigkeiten, die einen ganz und gar glücklich machen, ganz weit oben und sollte als allgemeine nationale Pflicht gesehen werden.
Als wir wach werden, sind auch die Kopfschmerzen Geschichte, bringt Noelle den perfekt gezogenen, perfekt gesüßten Tee ans Bett und als ich erstaunt nachfrage, wie sie ihn so hinbekommen hat, antwortet sie mit „Mum, SO ein Mysterium bist du nicht.“.
Ich für meinen Teil würde mich gerne für ein Mysterium halten.

Wir trinken Tee, essen Schokoladeneis und schauen die „The Kingmaker“ zu Ende, eine Mischung aus Politdoku und Superreichen-Porträt über eine Diktatorengattin, die auf Kosten ihres Landes ein enormes Vermögen angehäuft hat, in einer grotesk verschobenen Wohltäterin- und Mutter des Landes-Selbstwahrnehmung lebt und trotz der blutigen Vergangenheit gerade dabei ist, erneut politischen Einfluß in den Philippinen zu gewinnen.
Brilliant produziert, erschreckend und unbedingt sehenswert.

 

 

Obwohl es bereits dämmert, beschließen wir, ins Grüne zu fahren, der Märzanfang ist zwar sonnig, aber sehr kalt, das Grüne noch grau und hässlich, wir sammeln ein paar Zweige und frieren ein bisschen.
Ich bringe Noelle nach Hause, stelle die Zweige in eine runde Vase, zünde überall Kerzen an und spüre förmlich die Energie-Welle anrollen:
Es muss diese Woche unbedingt die klassischen Powerballs mit Datteln zum Espresso geben, darauf habe ich schon seit Tagen Lust.
Und eine Art Bircher Müsli mit viel Zimt, in das ich mangels geriebener Äpfel Apfelmus rühre – funktioniert ebenfalls sehr gut.
Dazu koche ein Kompott aus Blaubeeren, die tiefdunkle, pupurfarbige Flüssigkeit fülle ich in ein hohes Glas.
Währenddessen simmert eine Brühe aus Gemüseschalen auf dem Herd – die Reste von Karotten, Lauch, Zwiebeln, etc. sammele ich über die Woche in einem Zip-Beutel und bewahre sie im TK-Fach auf – das wird die Basis für schnelle Gemüsesuppen.
Ich schneide Spitzkohl in feine Streifen, koche dicke Bohnen und Blumenkohl zu einer Art Stew, knete die Masse aus Datteln, Kakao, Mandeln und einer Prise Salz und rolle sie zu kleinen Kugeln.
Parallel garen zwei Auberginen im Ofen, die anschließend zum Baba Ghanoush verarbeitet werden, das essen wir an einem der Abende mit einer Anti-Pasti Platte als unkompliziertes Dinner.
Dann gibt es noch eine große Menge Salatdressing mit Zitrone, Knoblauch, Senf und Olivenöl für das schnelle Salatglück am Mittag – damit schmeckt beinahe jedes Gemüse.

 

Zum Abschluss des Sonntags wartet auf mich ein heißes Bad und eine „Liebe macht Blind“-Folge.
Leider macht Liebe in diesem Fall keinesfalls blind, nicht in der Sendung, aber nicht im Leben allgemein, denke ich in diesem Augenblick.
Liebe macht sehend, weil sie die schönsten, kostbarsten Eigenschaften hervorholt, zelebriert und so sehr betont, dass sich die schlechten entweder von selbst verabschieden oder nicht ins Gewicht fallen.
Oder weil man im Gegenzug diese selbst nicht ertragen kann und sich von ihnen trennt.

Ich werfe noch einen letzten Blick auf die schönen Zweige und bin grenzenlos dankbar: Für diesen Tag, für die blühenden Zweige, für die Liebe.

 

 

 

Powerballs mit Schokolade und Sesam

100g gemahlene Mandeln
200g Datteln
4 TL Rohkakao
1/3 TL Salz
Nach Wunsch: Sesam/Kokosflocken oder Rohkakao

Alle Zutaten bis auf Sesam in einem Zerkleinerer zu einer Masse mixen.
Mit feuchten Händen kleine Kugeln formen, diese in Sesam, Kokosflocken oder Rohkakao rollen, bis sie gleichmäßig bedeckt sind.
Im Kühlschrank aufbewahren.

 

Baba Ghanoush

2 Auberginen
30ml Olivenöl
1 El Tahini
1 kleine Knoblauchzehe
1/2 TL Kreuzkümmel
1/2 TL Salz
Etwas Chili
Zitronensaft 1/2 frischer Zitrone
1 El Tahini

Die Auberginen der Länge nach halbieren und kreuzweise mit einem Messer leicht einschneiden.
Mit Olivenöl bestreichen und auf einem Backblech oder in einer Auflaufform bei 200° ca. 30-40 Min lang backen.
Danach mit einem Löffel das Fruchtfleisch herausnehmen und mit den restlichen Zutaten pürieren.
Abschmecken, abkühlen lassen.

 

 

Euren Meal Prep könnt ihr an jedem beliebigen Abend in der Woche machen.
Meine Gerichte sind zwar nicht besonders ausgefallen, aber falls ihr wollt, schreibe ich hin und wieder einige für euch auf.

 

Liebesgrüße
Joanna

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13 Comment

  1. Reply
    Susanne
    10. März 2022 at 6:36

    Liebe Joanna,

    was für ein wunderschöner, erfüllter Sonntag! Mit so viel Empfindsamkeit und Aufnahmefähigkeit für alles Schöne. Vielleicht kommt das Schöne ja auch so gerne zu dir, weil du es wahrnimmst und liebst? Ich arbeite in einem Möbelhaus, in der Heimtexabteilung, und jetzt kommen die neuen Frühlingssachen und ich bin oft ganz atemlos von den zahllosen schönen Dingen, die mich umgeben, nicht nur in meiner Abteilung, sondern im ganzen großen Haus. Es ist beinahe zu viel, man kann gar nicht allem gerecht werden. Meine schönste Arbeit besteht darin, den kleinen Kostbarkeiten, jeder einzelnen für sich, einen Rahmen oder eine Situation zu schaffen, in der Menschen, die zu uns kommen, ihre Schönheit sehen können. Ich lerne immerzu von dir ganz, ganz viel, was das Erkennen von Schönheit betrifft und die Fähigkeit, sie zu präsentieren, sichtbar zu machen. Joanna, du hast mit deiner Fähigkeit, das Schöne zu sehen und zu schätzen und zu genießen, alles, was du hast, so sehr verdient! Und wir alle brauchen solche Menschen wie dich so sehr, so sehr! Ich wünsche dir auch heute einen so schönen Sonntag, wie du ihn beschrieben hast, vielleicht ja auch einmal ganz ohne Kopfschmerzen oder mit kaum störenden.

  2. Reply
    Susanne
    10. März 2022 at 6:41

    O nein! Das war ein Irrtum – heute ist ja nicht Sonntag, sondern mein freier Donnerstag! Und es ist noch so früh am Morgen und so still, dass ich den Tag einfach mit Sonntag verwechselt habe. Aber gut – dann wünsche ich dir halt einen ebenso schönen Donnerstag, auch Donnerstage können wunderschön sein. Schreibst du vielleicht mal ein Donnerstags-Diary für uns????

  3. Reply
    Anna
    10. März 2022 at 8:39

    Liebe Joanna,

    danke für den Spirit <3!
    Liebe Grüße,
    Anna

  4. Reply
    Petra von FrauGenial
    10. März 2022 at 13:31

    Muss immer daran denken, wie ich letztes Jahr das Baba Ghanoush für Mich entdeckt habe als Du das Rezept geteilt hast. Dann kommt mir auch immer der Ohrwurm von Haftbefehl automatisch in den Sinn. Wer bei Noelles Look und ihrem Auftreten nicht ins Schwärmen kommt, muss einfach blind sein….ps. da bin ich ja beruhigt das ich nicht die Einzige bin, die andauernd den Pin vergisst, geschweige meine Handynummer auswendig kenne.

  5. Reply
    Iridia
    10. März 2022 at 16:33

    Ach schön! Ich finde auch, Liebe macht aus einem die beste Variante und lässt Sachen blühen, von der man gar nicht wusste, dass man so toll sein kann – mühelos. 🙂

  6. Reply
    miras_world_com
    10. März 2022 at 21:27

    Danke für den Einblick in dein Sonntag und für die Rezepte! Übrigens, die Bilder von dir sind wunderbar! Ich wünsche dir eine schöne Restwoche und sende liebe Grüße!

  7. Reply
    sue
    11. März 2022 at 14:21

    Ich freue mich immer, wenn du deine Rezepte mit uns teilst. Vielen Dank!

  8. Reply
    Andrea
    12. März 2022 at 17:26

    Schöner Text,danke fürs Rezept. ☕Schönes WE
    ( dachte du lebst zu zweit ??)

  9. Reply
    Babette
    15. März 2022 at 13:49

    Ja, bitte ganz viele von diesen wundervollen Rezepten und so schönen Tagebucheintragungen – you have made my day 🙂

  10. Reply
    Anna
    23. März 2022 at 10:26

    ..und noch was: das Sofa wurde super. War aber klar – selbst als lila irgendwas – du hast das gesehen!
    Love you

    1. Reply
      Joanna
      23. März 2022 at 16:23

      Danke ♥!!!

  11. Reply
    rena.spain
    27. März 2022 at 19:00

    lass mal das Süsse weg wegen der Migräne….nach einigen Wochen merkst du den Unterschied

    1. Reply
      Joanna
      27. März 2022 at 20:26

      Ich habe keine Migräne, das habe ich schon zig al geschrieben ;)…

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