Kolumne, Lifestyle

Fit for Fun and Rudern: Wie man mit der minimalsten Motivation im Gym anfängt.

Heute war ich das zweite Mal im Fitnessstudio.“ erzähle ich stolz einer Freundin.
Das zweite Mal… in dieser Woche?
Ja. Und das zweite Mal in meinem Leben.

 

Auch wenn ich im letzten Text schrieb, dass ich nicht wirklich einen Plan habe, habe ich dennoch Lust auf Dinge.
Manchmal habe ich Lust auf Trüffelpasta, machmal Lust auf riesige Sträuße aus Schleierkraut und gerade jetzt Lust auf Bewegung zum Beispiel.
Plötzlich habe ich so richtig Lust, meinem Körper etwas zu gönnen.
Vielleicht eine Massage pro Woche, Bewegung und wenn ich so richtig eskalieren will, besuche ich noch womöglich eine Sauna.

Im letzten Jahr verzichtete ich fast keinen Tag lang auf meinen Morning Walk, bis mir die Halswirbelsäule einen Strich durch die Laufstrecke machte und ich fortan die frühen Morgen statt in der Natur in meinem Bett mit einer Kanne Darjeeling und Declutter-Sendungen auf YouTube verbrachte.
Dann war Umzug, dann Winter und dann dachte ich: Ich hab‘ wieder Lust.

Daheim kann ich nicht, weil das wunderschöne antike Fischgrätparkett zu laut knarzt, wenn man darauf herumturnt.
Um die Häuser will ich nicht, weil „kalt und dunkel“ im Zusammenhang mit „mitten in der Stadt“ nur semi-verlockend klingt.

Folglich hielt ich Ausschau nach einem Fitnessstudio und war mit dem Schauen schnell fertig:
Es befand sich 140 Meter von meiner neuen Haustüre entfernt.
H u n d e r t v i e r z i g  M e t e r.
Da hätten sie den Eingang auch direkt in mein Treppenhaus bauen können.
Ich könnte morgens aus dem Bett rollen, die kurze Strecke im Seidenpyjama dorthin laufen und meinetwegen im selbigen trainieren.

Durch das extrem günstige Neujahrsangebot und die 24/7-Öffnungszeiten wurde mir die letzte Hürde genommen – wobei diese bei mir maximal low hing.
Noch tiefer als der Lowest Bar im Gym quasi.
Ich dachte an den Anfang mit: 1.) morgens die Sportkleidung anziehen und wenn wir das geschafft haben, dann 2.) aus dem Haus zu gehen und wenn das durch wäre, reichen ganze 3.)15 Minuten auf dem Laufband.
Zack, zurück in das französische Parkett-Apartment, Darjeeling kochen.
Ist zu schaffen?
Ist zu schaffen.
Sollte ich dann plötzlich anschließend Lust auf crazy Dinge wie Bankdrücken bekommen, können wir immer noch schauen.

Da ich allerdings nicht weiß, welche Bank ich – wirklich nur optional! – wohin drücken müsste, buche ich am ersten Tag eine Personal Trainer-Einheit:
Robin ist ein junger, entspannter Mann und führt mich ruhig durch die Geräte: Hier ziehen, dort ausatmen, hier schieben.
Alles easy, bis wir zur Beinpresse kommen, denn „Beinpresse“ klingt für mich nach Schmerz, worauf Robin entgegnet, dass „Krafttraining immer mit Schmerz verbunden sei, wenn es etwas bringen soll.
Ich bin verwirrt, beschwere mich über False Advertising, darüber habe neben den Öffnungszeiten nichts auf der Website gestanden.
Habe ich versehentlich den „No Pain no Gain.“ – Kurs gebucht? Oder das „Breiter ist besser“-Workout? Oder den „Schweiß ist Fett, das weint.“ -Vertrag unterschrieben?
Man muss aber auch immer das Kleingedruckte lesen.
Ich dachte mehr an „Moody Morning Walk“, aber was weiß ich schon.
Robin lacht.
Ich frage, wann wir endlich zu diesem einen Gerät kommen, auf dem man einfach sitzt und auf seinem Smartphone scrollt, Robin lacht ebenfalls.

Den Abschluss des Trainings markiert ein Rudergerät und das macht unerwartet viel Spaß – nicht nur mir, sondern auch Volker, dem rüstigen Rentner (vom Aussehen ein bisschen mein Vater), der direkt neben mir rudert.
Er bietet mir auf der Stelle das „DU“ an, denn „Hier dutzen sich alle, wir sitzen alle im selben Boot.
Du meinst, im selben RUDERboot?“ korrigiere ich.
Volker rudert fleißig weiter und fragt, was ich in meiner Freizeit tue.
Ich bin verwirrt und gleichzeitig überfordert. In meiner Freizeit? Was zur Hölle mache ich in meiner Freizeit? Ich habe nicht den leisesten Schimmer. Nur schöne Dinge. Das mache ich in meiner Freizeit.
Genießen.
Oh. Und was genießt du?
Alles.
Volker ist mit meiner Antwort voll und ganz zufrieden, ich bin allerdings nicht sicher, ob das eben ein Boomer-Flirtversuch war.
Um nicht unhöflich zu wirken, frage ich ebenfalls nach Volkers Freizeitvorlieben und bekomme: „Erholen. Vom Freizeitstress.“ zu hören.
Volker habe dreissig Wohnungen und ein Boot in Österreich, das sei schon bisschen stressig, aber wenn ich will, kann ich auch mal auf das Boot mitkommen.
Mooooment, ist Volker tatsächlich hitting on me?
Ist ein Fitnessstudio das Old School-Tinder?
Keine 20 Minuten im Gym, nächste Woche schon im Österreich?
Und – nicht unwichtig – hat Volker dort ein RUDERboot, jetzt, wo ich neuerdings so „Fit for Rudern“ bin?

Ich ahne bereits: Selbst, wenn ich jetzt alles gebe, kann ich Volker unmöglich überholen und schon gar nicht an ihm vorbeirudern.
Zum Abschied informiert er mich über seine täglichen Trainingszeiten, just in case.
Auf meine Entgegnung, dass ich schon viel früher im Gym bin, verzieht Volker die Miene.
So wird das nichts mit uns, mein zukünftiges Reiseziel ist gefährdet, Volker bereits am Zurückrudern.

Am nächsten Morgen kämpfe ich gegen den größtmöglichen Widerstand an („Ich könnte aber auch aufräumen in der Zeit. Oder Haare waschen. Oder noch was lesen. Oder eine Stunde sinnlos scrollen. Oder erst morgen wieder gehen.„) und höre mir quasi selbst zu, wie dämlich das alles klingt.
Diese 15 Minuten werde ich doch schaffen? Die chaotische Wohnung kann ich auch später in Ordnung bringen.

In den dunklen Morgenstunden ist das Studio fast gänzlich leer, ruhig und tatsächlich: moody.
Ich laufe auf dem Laufband, rudere ein wenig, bin nach einer halben Stunde fertig und fühle mich ganz großartig.

Im Laufe des Vormittags bekomme ich selbstverständlich (!) unerwarteten Besuch, der gezwungenermaßen das gesamte Chaos sieht.
Nun ja, man kann nicht rudern UND aufräumen.

Oder wie wir Gym-Bros sagen:
NO PAIN NO GAIN.

Liebesgrüße
Joanna

 

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18 Comment

  1. Reply
    Christine
    4. Februar 2022 at 19:25

    Hi Joanna,
    Jaha, seit meiner Reha versuche ich auch jeden Tag Sport zu machen. Dementsprechend sieht es manchmal zu Hause aus. Man muss halt Prioritäten setzen. LG Christine

  2. Reply
    Petra von FrauGenial
    4. Februar 2022 at 19:35

    Das machen die Sportler immer. Sehen gut aus, zwinkern und dann bringen sie Dich auf das Äußerste…Können wir uns dann bitte bald auf eine Sport Capsule Wardrobe freuen, damit gelingt die Gym Einheit sicherlich einfacher.

  3. Reply
    Sarah
    4. Februar 2022 at 19:40

    Ach Joanna, made my day! Es hat richtig Spaß gemacht, diesen Artikel zu lesen (okay, das trifft auf alle Liebesbotschaftartikel zu ), wirklich, ich musste oft schmunzeln! Danke dafür!

    PS: Ich will nicht quengeln wie ein Kleinkind, aber wann gibt’s nochmal ein Instalive?? Und bitte!! speichern, falls ich zu der Zeit arbeiten muss!

  4. Reply
    Susi
    4. Februar 2022 at 19:52

    Könntest du bitte den Beitrag umschreiben für Menschen, die erst mal 20 Minuten mit dem Auto fahren müssen, um zu einem Fitnessstudio zu kommen? ;))

    Bitte danke. :-*

    1. Reply
      Joanna
      4. Februar 2022 at 22:35

      Du musst umziehen, ganz klar!

  5. Reply
    Catalina
    4. Februar 2022 at 19:52

    …“wir Gym-Bros“… hahahaha, danke für deinen exzellenten Humor! Ich freu mich so auf dein Buch!

    Lieber Gruß,

    Catalina

    1. Reply
      Joanna
      4. Februar 2022 at 22:35

      ;)))

  6. Reply
    Sonja Kneubühler
    4. Februar 2022 at 20:07

    Ich musste soo lachen! Habe zu Hause ein Rudergerät, das ich von einer Freundin geschenkt bekommen habe, weil sie es immer nur abgestaubt hatte und das ich seit 2 Jahren! immer nur abstaube wegen vorher aufräumen und Haare waschen. Aber durch dich fühle ich mich definitiv inspiriert und motiviert! Werde es morgen abstauben und dann rudern, wer weiss, vielleicht kommt ja dann ein flotter Österreicher spontan zu Besuch?

    1. Reply
      Joanna
      4. Februar 2022 at 22:41

      Das freut mich!!!

  7. Reply
    Jenny
    4. Februar 2022 at 20:42

    Hahhaaa das war mega lustig

  8. Reply
    Sylke Strehl
    4. Februar 2022 at 21:40

    Liebe Joanna, …könnte sein, dass du mit deinem tollen Text ein ganz bisschen dafür gesorgt hast, dass ich nach drei Jahren Mitgliedschaft in einem „Fitti“ ohne hinzugehen, motiviert bin, 15 Minuten die Rudermaschine zu probieren! …könnte sein, dass du mit deinem tollen Text ein ganz bisschen dafür gesorgt hast, dass meine Angst dort einfach nochmal hinzugehen auf ein überwindbares Minimum geschrumpft ist! Diese Zweifel und Grübelgedanken, was so ein „Robin“ wohl denkt, wenn ich da auftauche- schick ich jetzt mal ganz weit weg! Danke Joanna, ich bin inspiriert. Sylke.

    1. Reply
      Joanna
      4. Februar 2022 at 22:36

      Ja! Denk an mich, dann rudern wir quasi zu zweit (nur kurz)!

  9. Reply
    Bea
    4. Februar 2022 at 22:03

    Also der Oppa ist ja zum Brüllen – ohne jede Hemmschwelle, die Knaben !!!

  10. Reply
    Sandra
    4. Februar 2022 at 22:17

    Ich liebe, liebe deinen Humor und deinen Schreibstil. Was freu ich mich auf dein Buch!

    1. Reply
      Joanna
      4. Februar 2022 at 22:36

      :)))

  11. Reply
    Rebecca
    5. Februar 2022 at 0:42

    Ahaha ich hatte meine Mama auch neulich ins Gym mitgenommen – Rudergerät fand sie auch super :’D. Und glaub mir das mit dem Bankdrücken kommt schneller als man denkt. Jetzt brauchen wir aber selbstverständlich einen Post mit Gym Wadrobe Inspiration. I root for you!

    Gym girl Grüße

  12. Reply
    Yvonne
    5. Februar 2022 at 10:13

    Ich liebe deine Art zu schreiben. ❤️

  13. Reply
    Viola
    5. Februar 2022 at 14:08

    Love it! <3

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