Noelle und ich tragen beide kurze Kleider, hohe Stiefeln und lange Mäntel und trinken am Sonntag vormittag Cappuccino mit Hafermilch in einem kleinen Café, essen anschließend eine unglaublich gute Ramen in Monki in der Innenstadt und teilen uns ein Stück des französischen Schokoladenkuchens, als mir auffällt, dass heute der erste Advent ist und dass man an diesem Datum in Deutschland eigentlich einen Adventskranz mit vier Kerzen vorweisen müsste.
Mit Betonung auf „man“, denn ich kann nichts dergleichen bieten.
Ich gebe zu, dass ich – einer Gotteslästerung gleich – Adventskränze im Allgemeinen abscheulich finde, weil mindestens eine Kerze am Schluss unschön aussieht, runtergebrannt und traurig, oft unförmig, die Looser-Kerze, keiner kann behaupten, dass das ganze Gebilde am Ende der Weihnachtszeit hübsch sei.
Adventskranz ist eine Art Count Down, aber eben ein hässlicher.
Noelle überlegt und gibt zu, sich an keinen klassischen Adventskranz während ihrer gesamten Kindheit erinnern zu können.
Auch in diesem Jahr besorge ich folglich nicht nur keinen Adventskranz.
Während die gesamte Social Media-Welt pünktlich die perfekten weihnachtlichen Wohnzimmer präsentiert, stehen auf meiner Dekorations-Wish List eher Dinge wie Küchenarbeitsplatte, blickdichte Rollos und Pax-Schränke, deren Türen sich nicht in den Verpackungen, sondern an den Scharnieren befinden.
Oh, du besinnliche Adventszeit.
Ich muss schmunzeln und erzähle meiner Tochter von der wahnwitzigen Idee einer besinnlichen Weihnachtszeit als Mutter mehrerer kleiner Kinder:
Dort gibt es nicht nur einen Deko-Marathon, sondern 72 Adventskalender-Päckchen zu packen, einige Sorten Plätzchen zu backen, Weihnachtsgeschichten vorzulesen, Weihnachtsmärkte zu besuchen (also theoretisch), der Baum und die Playstation müssen besorgt, das Weihnachtsessen geplant und zubereitet, die Outfits ausgesucht und die unzähligen Adventsbastel-/Turnverein-/Cellovorspiel-Einladungen wahrgenommen werden, dort sitzt man dann auf zu kleinen Stühlen und muss Small Talk mit Menschen halten, deren Kinder mit den eigenen zufällig in einem Tennisverein sind.
Und Kuchen essen, den man zuvor selbst gebacken und anschließend für 1,50€ gekauft hat.
Es wird also – ganz wie in den Astrid Lindgren-Büchern – geputzt, gebacken, gewaschen, gebraten, geschmückt und gepackt, dass es nur so knistert und knuspert.
Mit dem winzigen, wirklich zu vernachlässigendem Detail, dass alles ganz ohne Alma, der Zugehfrau passieren muss, aber wer achtet schon auf solche Kleinigkeiten.
Und das ganze Programm spult man – Achtung! – NEBEN den üblichen Kinderarzt-Terminen, tonnenweise Wäsche waschen, Wäsche aufhängen, Wäsche bügeln und Wäsche einräumen, Kinder zum Freunden und zum Ballett fahren, Kinder von Freunden und vom Ballett abholen, Dinge vom Fußboden aufheben, bei den Hausaufgaben helfen (zugegeben, das habe ich nie gemacht…), drei Mahlzeiten zubereiten (für das zweite Kind aber ohne Tomaten, weil es keine Tomaten mag, für das Dritte mit Tomaten, aber ohne Pilze), die Zutaten für diese täglichen Mahlzeiten besorgen (am besten zuvor, nur als Tipp) und die Hausaufgaben kontrollieren (habe ich auch nie gemacht.), Streit schlichten, etwas nachkaufen, was das Kind verloren hat und zum Elternabend gehen.
Falls gerade Lock Down ist, fallen zumindest die Veranstaltungen weg.
Ich erkläre Noelle, dass man diesen Advents-Marathon innerhalb der ersten drei Dezemberwochen (MAN HAT NOCH NICHT MAL EINEN GANZEN MONAT DAFÜR) absolvieren muss, alles sehr besinnlich und ganz entspannt, es ist doch most beautiful time of the year, oder nicht?
Meine Tochter entgegnet, dass sie niemals Kinder bekommen wird („Nachher werden die so anstrengend wie ich!“) und schiebt sich die letzte Gabel Schokoladenkuchen in den Mund.
Ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, wie ich es in einem früheren Leben zustande gebracht habe – ganz im Gegensatz zu vielen Müttern denke ich nämlich niemals „Ach, es war erst gestern, als sie klein waren.“, sondern viel eher: „Wie… ich hatte mal kleine Kinder? Und dann noch drei davon?“.
Es fühlt sich an wie in einem anderen Jahrhundert. Und wie eine vollkommen andere Person.
Was dagegen sehr präsent ist, ist der Genuss im Hier und Jetzt, denn stellt euch vor, nun brauche ich keinen einzigen Adventskalender zu besorgen und muss überhaupt nichts schmücken.
Außer natürlich, wenn ich will.
Stattdessen kann ich an einem einem Samstag Nachmittag mit einer meiner erwachsenen Töchter durch die Stadt schlendern und ein paar Interior-Magazine, feinsten Darjeeling, dunkle Schokoladentrüffel aus der Breuninger Confiserie, eine Duftkerze von Byredo und ganz viel Seidenkiefer vom Marktstand mitbringen.
Der Seidenkiefer kommt in die versilberten Vasen in meinem neuen Apartment, die Schokolade in den Kühlschrank, die Duftkerze wird schon morgens angezündet, perfekte Adventsstimmung inklusive.
Ich kann abends in der Badewanne liegen, dabei Orangen essen und die neue „Selling Sunset“ Staffel schauen.
Oder meine Gewürzsammlung in neue, kleine Metalldosen umfüllen und währenddessen Jazz hören.
Oder den eben frisch eingefüllten Zimt gleich wieder auf meinen Liebesbotschaft-Kaffee streuen, ach nein, das geht erst, wenn ich wieder eine Küche habe.
Bis dahin trinke ich den starken, italienischen Espresso aus dem Bistro um die Ecke in meinem neuen Viertel, der Verkäufer ist so charmant wie ein Italiener es nur sein kann, es gibt täglich kleine Dolci und frische Cornetti, die mit Frischkäse, Aprikosenmarmelade oder Pudding gefüllt sind und vielleicht muss ich jetzt an jedem Morgen den ersten Espresso des Tages dort trinken.
Selbst, wenn die Küche endlich da ist.
Alles, woran ich mich schemenhaft von Früher erinnern kann, ist die Tatsache, dass ich mit den Kindern während der Adventszeit immer sehr viel Spaß hatte.
Alles, waran Noelle sich erinnern kann, sind „Die Adventskalender und die Zimtschnecken mit Pflaumenfüllung, die du so oft gemacht hast“.
Wenn Noelle will, kaufe ich ihr einen Kalender und dann noch ein Törtchen aus der Konfiserie.
Happy Advent!
Liebesgrüße
Joanna
Michaela
30. November 2021 at 17:10Same here!!!
Danke für die Bestätigung.♥♥
Viele Grüsse ganz ohne Tanne, Kiefer, Fichte oder Kugel
(Zimtschnecken überleg ich mir aber – Du hast bestimmt ein super Rezept im Blogarchiv 😉
Nicole
30. November 2021 at 17:16Auf den Punkt. Und dann noch die Pflicht-Weihnachtsfeiern, statt schöne Abende mit selbstgewählten Lieben (also in Zeiten ohne C.)
Susann Alvarez
30. November 2021 at 17:25Ich finde es so schön, das zu lesen. Weihnachten hat mich zeitweise sehr gestresst, weil ich immer irgendwie sein und funktionieren sollte (als ich noch verheiratet war). Jetzt gibts in der Adventszeit nur noch Dinge, worauf ich wirklich Lust habe. Dieses Jahr tatsächlich mal Deko und viele Kerzen („Mama, du dekorierst? Das passt ja gar nicht zu dir?!“) und nur Geschenke, die von Herzen kommen. Und wenn mir da nichts einfällt, dann wissen meine Kinder auch: es gibt nichts Ich erfülle gerne wünsche aber ich bin kein Wünsche erfüllen.
Gina
30. November 2021 at 17:29Alles hat seine Zeit. Auch wenn es gefühlt Lichtjahre her ist, scheinbar in einem ganz anderen Leben stattgefunden hat, haben wir die Zeit mit den Kindern doch meistens (nicht immer, z.Bsp. nicht, wenn man den gerade gewischten Boden gefühlt zum dritten Mal am Tag wischen musste, weil die Kids ja ohne Absicht natürlich, mal wieder mit dreckigen Schuhen nur mal eben noch etwas aus ihren Zimmern holen wollten etc.) genossen. A Little Bit.
Und jetzt genießen wir die Gespräche und Begegnungen auf Augenhöhe, gemeinsame Shoppingtouren, etc. oder die total ruhige n und entspannten Sonntage im Bett bis zum Nachmittag usw.
Was auch toll ist, dass das Appartment oder Haus nach einer Heimkehr noch genauso ausschaut wie man es verlassen hat. Niemand einem mit Bärenhunger begrüßt usw.
Alles hat seine Zeit. Und gerade die Veränderung ist die Würze im Leben. Ich liebe es!
Amelie
30. November 2021 at 17:29Ich habe 3 Kinder, zwei davon Klein (2+4 Jahre) und kam heuer auf die Wahnwitzige Idee, Plätzchen mit ihnen zu backen. Wohl gemerkt, gekaufter Mürbeteig…
Es war … schrecklich! Der Teig war überall, auch im Fell vom Hund und Abends noch in den Haaren der Kinder, ganz zu schweigen vom Mehl… Wer behauptet, Plätzchen backen in der Adventszeit mit kleinen Kindern sei so wunderschön und lustig – der hat Keine Kinder!
Ich habe beschlossen, die Plätzchen zu kaufen, der Adventskranz kam von der Schwiegermutter und ansonsten machen wir nichts – SCHÖN!
Ach ja, Plätzchen backe ich mit den Kindern schon wieder – wenn sie Teenager sind
Joanna
30. November 2021 at 19:06Ich hatte mir dafür sogar noch fremde Kinder eingeladen ;))).
Vermutlich machte es mir selbst mehr Spaß als allen anderen Beteiligten ;).
Kerstin
30. November 2021 at 18:05Puh, der erste Abschnitt Deines Posts klingt super anstrengend; selbst vom Lesen bin ich schon erschöpft. So wie Du jetzt aber Deinen 1.Advent verbracht hast, sowie die gemütliche Zeit in der Stadt mit Noelle spricht mich dagegen sehr an. Irgendwie möchte man gerne Deine Freundin sein und auch so wundervolle Zeit mit Dir verbringen.
M
30. November 2021 at 19:38Hier aktuell unterschiedlichste Kerzen auf einem Tablett, zusammen mit Zapfen und Silberkugeln. Die Deko ist vermutlich erst komplett am 4. Advent, die Kekse kommen von meiner Mama im Tausch gegen besondere Gummibären und Fenster hab ich auch nicht geputzt. Aber der Hund bekommt jeden Tag Auslauf und ich besten Tee. Passt!
Mandy
30. November 2021 at 18:16Ach so schön Darauf freu ich mich auch wenn der Nachwuchs in ca. 10 Jahren aus dem Gröbsten raus ist.
Rina
30. November 2021 at 18:44Zimtschnecken mit Pflaumenfüllung???? das will ich sehen:-))))
Joanna
30. November 2021 at 19:05Die Version für Mütter mit kleinen Kindern!!!
Fertig Blätterteig mit Pflaumenmus bestreichen und mit Zimt bestreuen, aufrollen, in 1-2cm dicke Scheiben schneiden, in den Ofen für 10-15min. ;))))
Stefanie
30. November 2021 at 20:01Danke ! Danke ! Ab jetzt keine Hausaufgaben mehr. Und Plätzchen werden gekauft. Verneige mich vor dir.
Jeannette
30. November 2021 at 20:39Weißt Du was ich an deinem Leben liebe? Du hast immer die schönste Zeit. Ich lese bei Dir seit Reihenhauszeiten – bei Dir war irgendwie immer alles schön – und wenn mal was nicht soo schön war dann hast Du dich nicht damit abgefunden sondern hast erst recht was tolles gemacht. Ich erinnere mich noch an tolle Picknicke die du mit deinen Kindern gemacht hast. Und die Geburtstagsfeiern. Ganz besonders fand ich noch den Campingurlaub in Frankreich ( Hätte ich nie für möglich gehalten ) . Oder die 3 Monate in Amerika vor dem Einzug ins Loft. Du machst irgendwie fast alles möglich und es erscheint so leicht bei dir . Da ich leider genau das Gegenteil von Dir bin erreichst Du mich mit deiner Leichtigkeit immer wieder. Geht es mir nicht gut ist dann lese ich bei dir und versuche etwas von deinem Mut und deiner Zuversicht zu übernehmen. Manchmal gelingt es sogar. Ich wünsche Dir eine tolle Zeit – ob mit oder ohne Adventskranz – aber dafür bestimmt demnächst mit toller Küche . Ich bin soo gespannt auf dein neues Zuhause obwohl ich Joanna und Altbauwohnung erst nicht zusammenbringen konnte. Hätte man tippen können : Wo wohnt Joanna demnächst hätte ich auf ein Haus im Bauhausstil getippt. So klar und aufgeräumt wie du bist. Aber du wirst uns zeigen : Joanna kann auch Altbauwohnung – und das perfekt. Ich weiß das einfach.
Jeannette
Joanna
1. Dezember 2021 at 15:56Jeannette ❤️❤️❤️!
Danke für diesen wunderschönen Kommentar!!!
Ursula Müller
1. Dezember 2021 at 10:29Du hast recht, mich stört auch immer dass die Kerzen am Adventskranz so unschön ungleich abgebrannt sind. Darum habe ich seit Jahren nur immer eine grosse Kerze…. Und was ich noch sagen wollte, Leider gibst du uns nur einen kleinen Blick in dein neues Apartement – aber was ich sehe ist jetzt schon sowas von Hammmmer! Bitte mehr und schöne Adventszeit…..
Joanna
1. Dezember 2021 at 15:55Leider ist sonst überall noch Chaos :(.
Petra
1. Dezember 2021 at 13:09Ich habe meine Tochter häufiger zu der Nachbarin geschickt. Oder sie ist aus freien Stücken dahingelaufen weil sie mit der Nachbarstochter gerne die Hausaufgaben machen wollte. Sie kam dann mit gemachten Hausaufgaben zurück und in der Weihnachtszeit mit vielen, sehr vielen Plätzchen. Eine Win Win Situation. Heute komme nur noch gelegentlich bei der Nachbarin vorbei auf ein Glas Rotwein.
Marie
1. Dezember 2021 at 17:09Ach ich liebe deinen grenzenlosen Optimismus so sehr! Was ich schon lange fragen wollte, was wurde eigentlich aus deinem Buch, das hattest du mal als Weihnachtsgeschenk für deine Leserinnen angekündigt. Ich wollte es wirklich gerne an zwei Freundinnen verschenken und werde mich sonst wohl nach einem Ersatz umsehen müssen… schnief!
Joanna
1. Dezember 2021 at 17:45Aufgrund des Umzugs (privat und das Liebesbotschaft HQ) wird es leider erst im neuen Jahr erhältlich sein ❤️.
Edita
4. Dezember 2021 at 22:34„Mit dem winzigen, wirklich zu vernachlässigendem Detail, dass alles ganz ohne Alma, der Zugehfrau passieren muss, aber wer achtet schon auf solche Kleinigkeiten“ .
Wie gut.
Edita
4. Dezember 2021 at 22:35Habe sehr gelacht.
Adbentsgruß,
Edita