In meinem ganzen Leben habe ich noch nie bewusstseinserweiternde Drogen genommen, kann mir aber gut vorstellen, dass es sich in etwa genau so anfühlen muss:
Man nimmt alles sehr intensiv wahr, findet Belangloses extrem schön, freut sich an jedem Augenblick und liebt grundsätzlich alle, sich selbst inklusive.
Das ist in etwa die Kurzbeschreibung von jemanden, der auf einem Trip ist – oder die meines Alltags.
Manchmal glaube ich, dass so viel Genuss kaum in ein Leben und schon gar nicht in eine Person reinpasst (ich bin also quasi gezwungen, es mit anderen zu teilen. Ist ja nicht so, dass ich will. Na gut, stimmt nicht. Ich will.)
Zu viel Lebensfreude, zu viel Kreativität, zu viel echte, unaufgeregte Souveränität in Situationen, die brenzlig sind.
Pardon, die zunächst brenzlig AUSSEHEN.
Dazu kommt noch sehr viel Tatendrang, eine gute Portion Abenteuerlust (wenn man on a daily basis Dinge intuitiv tut und Entscheidungen intuitiv trifft, bei denen man nicht den leisesten Schimmer hat, wie sie ausgehen werden, ganz ohne Sicherheitsnetz und doppelten Boden, dann ist das ein größeres Abenteuer als eine Rucksack-Reise durch Asien) und beinahe kindliches Vertrauen, dass alles ganz wunderbar klappen wird.
Zum „wunderbar klappen“ gehört selbstverständlich, dass ich alle bisherigen Vorstellungen jederzeit über Bord werfe und erneut auf simples Gottvertrauen setze.
Als ich vor Kurzem sagte, dass ich im Grunde gar nicht weiß, wie alles weitergeht, entgegnete Noelle lachend:
„Mum, wenn bei dir alles safe wäre, dann würdest du erstmal irgendetwas Waghalsiges starten. In Wahrheit brauchst du diesen Thrill.“
Und das stimmt.
Ich will nämlich unbedingt herausfinden, wie schön ein Leben in und aus der Liebe sein kann, ich will unbedingt erleben, was alles möglich ist, irgendeinen Freiwilligen braucht es, mache ich es eben.
Habe sowieso nichts weiter vor.
Also nichts anderes als am frühen Morgen die kühle Luft einzuatmen, die der September mitgebracht hat.
Und pinken, noch warmen Apfelmus zu frühstücken, weil der Mann kleine, innen rosafarbene Äpfel aufgesammelt hat.
Und nach der Augen-OP die alten SATC-Folgen zu schauen, was wie eine „Lockdown-Loungewear“ – Kur wirkt, now I’m back to elegant, habe quasi die gesamte Woche auf High Heels verbracht.
Außerdem muss ich noch Kartoffelsuppe mit Steinpilzen und Trüffelöl kochen. Und frische Feigen mit Bacon umwickeln, anschließend anbraten und mit Schafskäse in einem Honig-Olivenöl Dressing servieren.
Und die Küche für das neue Apartment aussuchen und bestellen.
Ich trinke Espresso in einem kleinen Café in München, die Zeitung ist französisch, die Stimmung italienisch ausgelassen, die Frauen tragen Dirndl und sehen bezaubernd aus, ich kaufe eine wunderschön luxuriöse Lounge-Hose von Max Mara in einem der Second Hand Shops, viele Hortensien und die kleinen, süßen Trauben vom Wochenmarkt und eine große Holz-Staffelei in einem kleinen Antiquitätenladen an der Ecke.
Die Verkäuferin darin ist so böse, wie man nur sein kann, ich glaube zunächst an eine versteckte Kamera und noch Minuten später lachen der Mann und ich über die unglaubliche Situation.
Ich hole das Sofa für das Liebesbotschaft Headquarters, es ist ungefähr fünf mal schöner als gedacht und als es endlich in den neuen Räumen steht, bin ich gleichzeitig ergriffen und überwältigt, weil es nicht nur absolut perfekt passt, sondern ich es zufällig gefunden habe. Ganz ohne zu suchen ;).
Die Wände erstrahlen in einem der stimmungsvollsten Farbtöne, alles duftet nach frischer Farbe und obwohl ich wusste, wie schön alles wird, kann ich kaum fassen, wie schön alles wird.
Vielleicht duftet aber auch alles nach Vollkommenheit, wer weiß das schon so genau.
Am Samstag werde ich sehr früh wach, mein Apartment ist blitzblank geputzt und so beschließe ich, noch vor der Fahrt nach München Lebensmittel einzukaufen.
Der Himmel erstrahlt im pastelligen Rose – es ist dieser Farbton, der einen der schönsten Herbsttage des Septembers ankündigt, um kurz nach Sieben befinden sich gefühlt sechs Menschen im Edeka, es herrscht eine friedliche Atmosphäre, die eher einem Private Shopping Event denn Lachs und Waschmittel-Einkauf gleicht.
Auf der Rückfahrt wird mir bewusst, dass es angesichts von schwerigen Umständen stets zwei Möglichkeiten gibt:
Sich Beschweren oder Verantwortung Übernehmen.
Oft genug werden Schwierigkeiten nämlich von anderen verursacht – das gilt im Großen wie in den kleinen, ganz alltäglichen Situationen.
Und dann kann man ENTWEDER nörgeln und sich beschweren („warum die anderen, und wäre er nicht, dann könnte ich jetzt, alle sind doof.“) – das macht einen auf der Stelle zum Opfer.
ODER man übernimmt die Verantwortung für sein eigenes Verhalten und die eigene Reaktion – und obendrauf sogar für die Fehler der anderen.
Ich zumindest möchte keiner anderen Person (oder Institution) so viel Macht überlassen, dass ihr Verhalten über mein Wohlbefinden entscheidet.
Viel lieber übernehme ich Verantwortung, packe die Sachen an, warte auf niemanden (z.B., dass er sich endlich ändert. Oder dass er Dinge endlich einsieht.), sondern treffe ganz unabhängige Entscheidungen.
Das mag oft genug nach Nachgeben oder Ausgenutzt Werden aussehen, ist aber das genaue Gegenteil:
Lieber übernehme ich sogar die Verantwortung für die Fehler der anderen, als dass ich in der von ihnen verursachten Misere ausharre und Vorwürfe mache:
Dem Leben (weil es ja so hart und ungerecht ist), der Person (weil die so fies zu mir war) und ganz allgemein den Umständen (weil mir immer übel mitgespielt wird).
Willkommen in der Opfer-Hölle.
Selbst, wenn das kurzfristig für mich unangenehm sein mag oder nach meinem Nachteil aussehen – Tausend Mal lieber Verantwortung übernehmen als Jammern und anderen die Schuld geben.
Ich kann nicht zulassen, dass jemand anderes so viel Autorität über mein Leben hat.
Und genau aus diesem Grund kreiere ich ein Leben für mich, dass vor Genuss, Schönheit und Erfolg nur so strotzt, dafür trage ich dann selbst die Verantwortung und kann mich bei keinem beschweren, wenn es nicht erfüllend genug war.
Das Wissen um die Freiheit dieser Wahl erfüllt mich mit einer tiefen Dankbarkeit und Begeisterung, oh boy, ich liebe, liebe, liebe es, Verantwortung zu übernehmen!
Ich muss auf niemanden warten und brauche von keinem etwas zu erwarten – völlig unabhängig kann ich jederzeit weitergehen im Leben, eine Entscheidung, eine Handlung, was auch immer es braucht.
Könnt ihr euch vorstellen, wie schön das ist, wenn man nie mehr „Aber du hast damals …“ und „Wegen dir kann ich nicht…“ jammern braucht, sondern in jeder Sekunde die Dinge in die Hand nehmen kann?
Frische Feigen zum Abendessen, Espresso in München und neues Interior sind schön – aber letztendlich persönliche Vorlieben und am Ende nur Beiwerk.
Ein Leben leben zu dürfen, in welchem kein anderer außer mir bestimmten darf, ist dagegen der Inbegriff von Freiheit.
Und Freiheit gleicht für mich echter Schönheit.
Ich hoffe, ihr nehmt diese Wahl ernst.
Liebesgrüße
Joanna
Dr. Astrid Stula
26. September 2021 at 18:47Wow. ♥️
Joanna
26. September 2021 at 22:51❤️
Anne
26. September 2021 at 20:30Es ist so schön, dass du wieder mehr hier schreibst. Das Sofa ist ein Kracher, nur hätte ich Sorge, da nie wieder hoch zukommen Danke für dieses wunderbares Lebensgefühl das du immer wieder vermittelst. Happy Sunday
Joanna
26. September 2021 at 22:52Wir vermutlich auch nicht, weil es überraschend bequem ist ;)).
Katie
27. September 2021 at 12:21Ich hab den Blog grad abonniert und freue mich einen Keks darüber, dass du zur „Ich bin kein Roboter“-Abfrage „Ich bin ein Mensch“ dazugeschrieben hast. Es sind die kleinen Dinge, die einen großen Unterschied machen. Und schon weiß ich, dass ich hier richtig bin 🙂
Ich freue mich auf dein kommendes Buch.
Liebe Grüße!
Anna
27. September 2021 at 14:23Hi liebe Joanna,
schön, dass du uns mitnimmst!
Ich freu mich schon aufs neue Apartment, ich glaub du bleibst deinem Stil treu, aber im Altbau wirkt ja alles anders… 🙂
Liebe Grüße
Anna
PS: Die Looks sehen sooo gut aus!!! Das Leder
Alma
28. September 2021 at 8:47Ahhh liebe Joanna!
Manchmal schreibst Du genau zur richtigen Zeit!
Nun habe ich während der letzten Monate meine Wohnung in Berlin ausgeräumt und alles verkauft, um. mit meinem kleinen Kind in ein schönes mediterranes Land, wo die Winter mild sind und man frühmorgens am Strand spazieren geht, zu ziehen und endlich endlich den Traum vom Leben im Süden zu verwirklichen.
Alles war alles war vorbereitet und abgestimmt (Job, Schule, Wohnung….. ), im Prinzip auch mit dem Vater meiner Tochter, jedoch hat er nun plötzlich per Gericht das Verbot, die Stadt dauerhaft zu verlassen, bewirkt. Daß ich Alleinerzieherin und -verdienerin bin, war für die Richterin nicht relevant. Auch nicht, daß er vermögend ist und über alle Möglichkeiten verfügt, den Kontakt auch über Distanzen hinweg weiterhin mit meinem Kind zu pflegen.
Und nun?
Alma
Joanna
28. September 2021 at 11:07Was für ein Mist!
Ilona
12. Oktober 2021 at 8:20Eine beschissene Situation die man gar nicht in Worte fassen kann…
Ich hoffe, er wird sein Besuchsrecht auch tatsächlich umsetzen in Berlin. Wie fies wäre es, wenn er dich einfach aus privaten Gründen zum Dableiben verdonnert hat, die nichts mit dem Kind zu tun haben, und es nun niemandem etwas nutzt.
Matilda
1. Oktober 2021 at 19:55Oh, liest du französische Zeitungen?
Joanna
2. Oktober 2021 at 11:33Bien sûr!
Stefanie
1. Oktober 2021 at 23:21Alma, dann fang einfach in Berlin neu an. Es hat sicherlich auch etwas gutes. Ich wünschender alle gute. Das wird schon – und Berlin ! ……
Liebe Grüße
Christine
14. Oktober 2021 at 10:52❤️danke !
Olga Alberg
8. Oktober 2021 at 9:27Liebe Joanna….
Könntest du mir bitte verraten, von welchen Label deine Tasche ist.
Liebe Grüße Olinda
Joanna
8. Oktober 2021 at 9:31Es ist eine Hermes Bag :).
Simone Merdian
16. Oktober 2021 at 7:53Wow dieser Text hat mir grad sehr gut getan….im passenden Moment gelesen