Inspiration

Der Hundeflüsterer Teil 2. oder: Sitz. Platz. Aus.

Am vergangenen Sonntag machte mein Körper völlig schlapp:
ich schaffte es gerade noch vom Bett auf’s rote Samtsofa, auf welchem ich gemeinsam mit den Kindern buchstäblich den gesamten Tag verbrachte – unter dicken Decken vergraben, mit Bergen von Taschentüchern, literweise Ingwertee, Pizza vom Lieferdienst und vielen Folgen von „Der Hundeflüsterer“ (eine Sendung wie „Supernanny“ für Familien mit Problemhunden), die ich allerdings nicht alle in Gänze mitbekam, weil ich zwischendurch immer wieder einschlief.

Das, was ich allerdings mitbekam, reichte aus, um Inspiration für einen neuen Post zu liefern –  und obwohl ich bereits vor Jahren einen Beitrag darüber schrieb, tut uns allen eine Auffrischung wieder gut.

Denn der Umgang der Hundehalter mit ihrem Vierbeiner entspricht teilweise so exakt dem Umgang mit Gedanken und Gefühlen, dass es eine Freude ist, es anzuschauen.

Ich will also heute überhaupt nicht über Hundeerziehung philosophieren – sondern über dich schreiben, und zwar (here we go again)…

Nehmen wir an, deine Gefühle und Gedanken wären: DER HUND.
Und du bist: DAS HERRCHEN.

Dann wären die wichtigsten Dinge bei der Hundeerziehung folgende:

1. Wer ist der Rudelführer?

Diese Frage ist die Allerwichtigste überhaupt: wer darf bestimmen?
Wer hat das Sagen in deinem Haus?
Ist es der Pinscher-Mix, der bestimmt?
Oder bist du der Chef?

Überlässt du dem Hund die Führung, passiert folgendes:
er macht was. er. will.
Und ist überhaupt nicht glücklich dabei.
Teilweise entwickelt er dabei ein so starkes Fehlverhalten, dass alle Beteiligten darunter leiden, inklusive ihm selbst.

Und dabei kann der Hund noch nicht mal etwas dafür, denn das Problem liegt immer beim Hundehalter, der seine Führungsrolle nicht ausübt.
Ein Hund LIEBT es, geführt zu werden – da fühlt er sich sicher, ist entspannt und bereit, mit Freude zu folgen.

Und ganz genauso ist es mit deinem Gedanken und Gefühlen – führst du sie nicht liebevoll und konsequent, passiert folgendes:
sie werden mit dir machen was. sie. wollen.
Sie werden sich aufführen wie eine Furie, wenn sie nicht bekommen, was sie möchten, sie werden mal aggressiv, mal depressiv, mal verzweifelt, mal euphorisch, mal frustriert sein.
Sie werden nicht genau wissen, wo es lang geht, und sich immer wieder in irgendwelchen Gefühlsorgien oder Gedankenkreisen verlieren – und sie können noch nicht mal was dafür!
Und gut geht es ihnen dabei auch nicht.

Und das alles geschieht, weil du nicht die Führung übernimmst, und ihnen nicht konsequent beibringst, wer der Rudelführer ist – also was dürfen sie nun, und was nicht?

Weil dieses Thema so entscheidend ist, habe ich bereits HIER einen ganzen Post darüber geschrieben – und wenn das ist nicht absolut und ausnahmslos glasklar ist, brauchst du gar nicht erst weiter zu lesen.

Wenn dir also bewusst ist, dass DU der Chef im Ring bist, dann legen wir jetzt richtig los mit der Hundeerziehung.

2. Ausreden und Erklärungen.

„Er ist einfach mein Baby.“
„Es ist ein Rüde, die machen das.“
„Das ist eine intelligente Hunderasse, die gehorchen nicht einfach so.“
„Ich will die Persönlichkeit meines Hundes respektieren und ihn nicht einschränken.“

Der Ausreden und Erklärungen für das Fehlverhalten der Hunde gibt es viele – denn ist es nicht irgendwie auch süüüüüß, wenn der Hund sich so freut, dass er an einem hochspringt?
Und wenn er so niedlich am Tisch bettelt – er ist eben ein gaaaanz schlauer, nicht wahr?

Während du die Persönlichkeit deines Hundes „respektierst“, tanzt er dir auf der Nase herum und wird von Tag zu Tag verwöhnter und unbelehrbarer.
Dein Hund ist nicht „intelligent“, er ist ganz einfach schlecht erzogen – und du wirst mit den Konsequenzen dessen leben müssen.

Und genauso ist es bei deinen Gedanken und Gefühlen – Ausreden und Erklärungen gibt es wie Sand am Meer.
„Ich bin eben depressiv veranlagt…“
„Wäre das damals nicht passiert, dann wäre alles ganz anders…“
„Ich kann nicht aufhören, mich zu sorgen – ich bin eben so.“

Nein, du BIST nicht so – du hast deine Gefühle und Gedanken einfach überhaupt nicht erzogen.
Und weil du seit Jahren nichts anderes kennst, bist du zu dem Ergebnis gekommen: ich bin eben so.
Und wenn du so BIST, kann man eben nichts machen, stimmt’s?
Außerdem ist es manchmal auch ein bisschen süüüüüß, wenn du dich so aufregst/heulst/dich in Selbstmitleid badest, oder?

Ich selbst würde NIEMALS eine Ausrede für meine miesen Gedanken oder Gefühle zulassen, und zwar EGAL WIE GLAUBWÜRDIG ODER PASSEND DIESE KLINGT.
Selbstverständlich gibt es für alles Gründe und Ursachen, ist doch klar!
Aber was bringt es, wenn ich diese Ursachen als Ausrede oder Erklärung dafür nutze, nicht jetzt und hier die Verantwortung für mein Leben zu übernehmen, und klare Ansagen zu machen: Sitz! Platz! Aus!

WAS BRINGT’S?!

Wir können uns natürlich gerne über meine Vergangenheit unterhalten, und darüber, wie damals alles schief lief, und wenn dieses Arschloch nicht gewesen wäre, und hätte ich damals nicht… aber nochmal:
WAS BRINGT’S?!

Alles, was mich dazu verleitet, Verantwortung abzuschieben, und von außen die Lösung des Problems zu erwarten – all das will ich nicht.
Ich lasse es einfach nicht zu.
Kann mich keiner zwingen, ist ein freies Land hier.
Mögen die Ursachen noooooch so überzeugend sein, und die „Tatsachen“ noch so laut schreien – ich selbst akzeptiere für mein Leben keine einzige Ausrede, warum ich JETZT, HIER und HEUTE nicht glücklich und erfüllt sein kann.
Sitz! Platz! Aus!

Und auch, wenn sich das ein bisschen hart liest, ist dieses Vorgehen echte Liebe: ich bin mir einfach zu kostbar, um meinen Gefühlen und Gedanken Optionen für Frust, Selbstmitleid oder Traurigkeit zu lassen.

3. Inkonsequenz.

Ein Hund kann nicht wirklich zwischen richtig und falsch unterscheiden – also gib ihm diesen Spielraum gar nicht erst!
Du entscheidest:
Ständig.
Immer.
Überall.
Ohne Ausnahme.

Und je konsequenter du es durchziehst – umso schneller wird dein Hund folgen – umso schöner für alle Beteiligten – umso glücklicher das Tier und der Besitzer.

Und genauso machst du es mit deinen Gedanken und Gefühlen.
Klare Ansagen – klare Verhältnisse.

Mache nicht lange rum, und entscheide dich nicht jeden Tag um, heute so, morgen so.
Je konsequenter du bist, umso schöner, leichter, und schneller werden sich deine Gedanken und Gefühle fügen und folgen, versprochen!
Been there, done that.



4. Geduld und kein Druck.

Hundeerziehung ist ein Prozess – wer glaubt, dass der Hund von Jetzt auf Sofort jahrelang eingeübtes Fehlverhalten verliert, der wird enttäuscht und sogar frustriert sein.
Es braucht Übung, Übung, Übung.
Immer und immer wieder.

Und es bringt nichts, wenn man auf einmal mehr Druck anwendet, damit der Hund schneller spurt – das bringt nur Frust auf beiden Seiten, und hat nichts mit Liebe zu tun.

Und genau so ist es bei dir.
Gib dir Zeit.
Ich kann dir versichern: deine Gefühle und Gedanken werden Zeit brauchen, um sich umzugewöhnen, dass sie auf einmal nicht länger machen dürfen, was sie wollen.
Sie sind es nicht gewohnt, dass jemand anderes auf einmal das Sagen hat, und reagieren anfangs verwirrt oder widerspenstig.
Oder folgen überhaupt gar nicht – mal schauen, ob sie es ernst meint?
Nicht schlimm!
Bleib einfach dran, lass sie nicht von der Leine, und erlaube dir einen Prozess.

Mache dir selbst keinen Druck oder schlechtes Gewissen – Schuldgefühle oder Schuldzuweisungen sind hier absolut fehl am Platz!

Ganz ehrlich:
Du hast deine Gedanken und Gefühle bisher nicht erzogen, weil du wahrscheinlich Null Ahnung davon hattest, dass das überhaupt geht!
Was kannst du also dafür?

Keiner von uns muss sich deshalb schlecht fühlen („ich schaffe es ganz selten“), oder gar Druck empfinden („man muss nur fest daran glauben, aber ich glaube anscheinend nicht fest genug…“) – was soll der Krampf?

Ich habe bereits vor Jahren für mich beschlossen:
Konsequenz: JA.
Aber schlecht fühlen, weil ich es mal nicht hinbekomme: NIEMALS.

Dann entscheide ich mich eben wieder, und gebe nicht frustriert und enttäuscht auf, weil ich in alte Denkmuster verfallen bin, was soll’s.
Mal sind die Schritte kleiner, mal größer, Hauptsache, die Richtung stimmt.

Und die Richtung heisst:
DU entscheidest über deine Gedanken und Gefühle – und nicht sie über dich.
DU bringst ihnen bei, nicht bei jeder Herausforderung auszuflippen.
DU sagst ihnen, wie sie sich zu fühlen haben, und nicht der Umstand.
DU bestimmst, wie heute der Tag wird, und nicht der seelische Zustand.
Und sie dürfen überhaupt nicht machen, was sie wollen und sich aufführen wie der letzte unerzogene Rüde, der alles zerkaut, jeden anknurrt und überall pinkelt, wo er nicht soll.

Sitz.
Platz.
Aus.

Ein gut erzogener Hund ist das Genussvollste und Schönste überhaupt!

Und genau so wird dein Leben Schritt für Schritt schöner, entspannter, klarer, angenehmer und beschwingter – das Genussvollste und Schönste überhaupt.
Das kann ich dir versprechen.
Aus eigener Erfahrung ;).

Liebesgrüße
Joanna

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13 Comment

  1. Reply
    Anna Rohdenburg
    8. November 2016 at 9:22

    Vielen Dank Johanna, dass du mich daran erinnert hast wer der Chef in meinem Körper ist. Egal wie die Umstände sind oder die Situation mich gerade “nervt“ (was ich ja eigentlich auch beeinflussen kann, ebenso es sie tut oder nicht), ich kann bestimmen ob mich das jetzt niedergeschlagen und depressiv werden lässt oder ob ich glücklich bin und mich darüber freue was für ein geiles Leben ich habe.

  2. Reply
    Anna Rohdenburg
    8. November 2016 at 9:28

    Vielen Dank Johanna, dass du mich daran erinnert hast wer der Herr in meinem Körper und von meinem Gedanken ist. Egal wie schwierig die Umstände oder wie doof die Situation gerade ist, ich bin der Herr und kann sagen es geht mir jetzt super und ich bin glücklich anstatt irgendwelche negative Gefühle zu zulassen, was ich in letzter Zeit ein bisschen vernachlässigt hatte und mir gerade in der derzeitigen “Situation“ echt geholfen hat

  3. Reply
    Lotte Fuchs
    8. November 2016 at 9:38

    Danke für die wunderbare Erinnerung. 🙂 Ich hoffe du bist wieder gesund!
    Liebste Grüße
    Lotte

  4. Reply
    lina friederike
    8. November 2016 at 9:42

    Joanna! Ja, ja, ja! Sooo gut! BAM!
    Eins aber doch noch: Wirkliche Langzeit-Depressionen sind ein neuronal begründetes Phänomen, das ist keine Frage von Entscheidung und nicht-ergriffener Verantwortung. Nebst medikamentöser und psychotherapeutischer Behandlung spielt aber die Entscheidung des Patienten zur Genesung und zu einem glücklichen Leben im Heilungsprozess sicher auch eine Rolle.

    1. Reply
      Joanna
      8. November 2016 at 10:03

      Na klar, das Eine schließt das Andere ja nicht aus ;)…

  5. Reply
    Beyhan
    8. November 2016 at 11:08

    Hahaaha der Blogpost ist mal wieder so großes Kino! in Love, auch ohne Hund 😀

  6. Reply
    Daniela
    8. November 2016 at 12:30

    Danke für den Tritt in den Hintern 😉

  7. Reply
    Kathenya
    8. November 2016 at 12:36

    Also ich persönlich finde "negative" Gefühle nicht per se schlecht oder verboten.
    Wenn ich traurig bin, bin ich halt mal traurig. Das ist für mich kein Zeichen von Versagen, sondern dafür, dass ich ein Mensch mit einem menschlichen Spektrum an Gefühlen bin.
    Und wenn die Traurigkeit verzieht (und das tut sie immer und meist flotter wenn sie mir vollkommen bewusst ist!), dann fühle ich auch wieder was anderes. Vielleicht sogar noch mehr Glück als vor der Traurigkeit!
    Vielleicht meinst du ja aber eher das sich "suhlen" oder versinken in destruktiven Gefühlen und wir reden von verschiedenen Dingen.
    Bloß nur positive Gefühle als gut oder legitim zu sprechen finde ich irgendwie einseitig. 🙂
    Danke an dieser Stelle für deinen Blog, den ich gerne lese, weil er einfach auf eine spezielle Art anders und interessant ist! 🙂

    1. Reply
      Joanna
      8. November 2016 at 13:25

      Lieber einseitig glücklich als vielseitig schlecht drauf ;)!
      Aber das kann jeder halten wie er will ;), ist nur meine Sicht ;).

    2. Reply
      Anna
      8. November 2016 at 13:42

      PRO einseitig glücklich :-)…..ach Johanna, Du bist einfach der Hammer! BIG LOVE!

      Anna

  8. Reply
    Claudia Münster
    8. November 2016 at 14:41

    Liebe Johanna,

    ich bin erst kürzlich über dich gestolpert. Oder vielleicht musste ich dich ja auch finden.

    Du hast mit dem Beispiel des unerzogen Hundes und seiner Erziehung, ein ganz besonderes und auch leichtes Bild geschaffen. Und das muss man erst mal schaffen, eines der großen Phänomäne so leicht und unaufgeregt runterzubrechen.

    Wenn ich in Zukunft mal wieder beobachte, wie meine Gedanken mich glauben machen wollen, was meine Realität ist, werde ich immer an deinen frechen Pinscher denken.

    Danke dir sehr.

    Claudia

  9. Reply
    Daniela Hartwig
    8. November 2016 at 15:47

    So schön und ich werde immer besser darin mich nicht von meinen Emotionen beeinflussen zu lassen :-). Vielen Dank

  10. Reply
    Conny Martin
    8. November 2016 at 21:07

    Es ist so wunderbar, wenn man jeden Tag einfach nur glücklich sein kann. Es ist ein Prozess, wie Du auch schreibst, aber es lohnt sich…. Du bist eine tolle Frau, Joanna. Ich wünschte Dich einmal zufällig zu treffen. Dann muss ich Dich mal ganz fest drücken. Du Liebe, mach weiter so. Knutscher
    Conny

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